ALBRECHT BEHMEL

Autor

Berlin-Mitte

Albrecht Behmel hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er freiberuflicher Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für SR, ARTE, Pro7, Sat1 und den RBB.

Hat dein Beruf mit Berlin zu tun?

Ja, natürlich! Es gibt hier eine sehr hohe Dichte an Kollegen, Regisseuren, Studios, Verlagen und Produktionsfirmen. Das macht Berlin für mich attraktiv. Und nicht zuletzt ist auch mein Netzwerk hier, das ich 2008 gegründet habe: FilmforumPRO. Unsere Veranstaltungen finden ja meistens in Mitte statt, weil ich eher ungern in andere Bezirke gehe.

... warum?

Na, meine Frau sagt, weil ich faul bin, aber ich sage, weil ich hier in Mitte alles habe, was ich für das Filmforum brauche. Aber ich bin auch oft faul, das stimmt schon ...

Wie und wann bist du nach Berlin gekommen?

Das war Mitte der Neunziger Jahre; ich war noch Student in Heidelberg. Ein alter Freund rief mich an, aus Berlin, und fragte, ob ich nicht Lust hätte, bei einer Firmengründung mit dabei zu sein. Das war eine Soft­ware-Firma mit Online-Verlag, übrigens einer der ersten in Deutschland. Ich hab sofort ja gesagt, bin nach Berlin gezogen und hab hier an der Humboldt meinen Abschluss gemacht – wie mein Großvater. Wenn ich in Heidelberg geblieben wäre, hätte ich wahrscheinlich eine akademische Karriere angefangen. Gottseidank hab ich das aber nicht gemacht.

Made in Berlin im Gespräch mit Albrecht Behmel, Autor

Wo hast du damals gewohnt?

Erst in Halensee in der alten Villa von Conny Froboess, wo auch die Firma war. Danach am Helmholtzplatz; da gab es kein einziges saniertes Haus, damals. Alles war grau.

Gibt es den Verlag noch?

Nein. Wir waren mit unseren Produkten etwa zehn Jahre zu früh dran und haben das nicht durchgehalten. In den USA war man da schon weiter, und wir waren optimistisch, was den deutschen Markt betrifft. Ein paar der alten Titel existieren lustigerweise noch heute. Allerdings unter einem anderen Label.

Bei wem hast du studiert?

Ich habe Philosophie, Politik und Geschichte studiert, bei Volker Sellin und Klaus von Beyme in Heidelberg und bei Herbert Schnädelbach in Berlin. In Heidelberg hab ich noch Gadamer erleben dürfen. Ein sehr beeindruckender Mann, und vor allem seine Stimme: Er brauchte nie ein Mikrofon, unvergesslich.

Was verbindet dich persönlich mit Berlin?

Na, erstens bin ich ja, wie gesagt, schon eine Weile hier; viele meiner Freunde leben in Berlin, hier hab ich meine Frau kennengelernt und geheiratet. Außerdem hab ich eine ganze Reihe von Büchern, Stücken und Artikeln geschrieben, die mit Berlin zu tun haben.

Zum Beispiel?

Ich war 2009 einer der Autoren bei „24 Stunden Berlin“. Das war eine großartige Produktion; vor allem der Online-Chat mit den Zuschauern während der Premiere ist mir in Erinnerung geblieben. Ich habe nämlich parallel Arte und den RBB betreut, mit einem Redakteur aus Strasbourg zusammen, und die Reaktionen der Berliner auf die Show waren einfach umwerfend. Dabei ist mir auch der Unterschied zwischen Arte und dem RBB klar geworden.

... und der wäre?

Nächste Frage, bitte!

Okay, was inspiriert dich an der Stadt?

An Berlin-Mitte interessiert mich vor allem ...

... „inspiriert“

Oh, ja, aber das ist doch fast das Gleiche, oder? Jedenfalls, mich inspiriert die Atmosphäre. Ich gehe zum Beispiel gerne die Friedrich­straße entlang, wenn ich zum Sport gehe oder so tue als ob, und fast jeden Tag verändert sich da was. Außerdem gibt es hier viele Leute, die verstehen oder zumindest glauben zu verstehen, was ein Autor eigentlich macht. Und das kann sehr inspirierend sein.

Was fehlt dir in Berlin?

Fahrradfahrer, die sich an die Verkehrsregeln halten.

... im Ernst?

Ja, wirklich im Ernst, das ist eine Katastrophe, wie die hier fahren. Und was auch fehlt, ist mittelständisches, kaufmännisches Know-how, vor allem in meiner Branche. Statt dessen gibt es in Berlin eine Art von kreativer Umsonst-Kultur, die auf Dauer einfach nicht gesund ist: Für nichts ist Geld da, und alle jammern. Deswegen bleiben so viele Projekte in der Konzeptphase stecken. Traurig!

Darum engagierst du dich für „Made in Berlin“?

Genau! Das ist das Stichwort. „Made in Berlin“ unterstützt solide, kaufmännische Unternehmungen, und das tut der Stadt gut.

In welcher Form bist du da aktiv?

Ich führe die Interviews mit den anderen Mitgliedern, und ich habe eine kleine „Geschichte der Stadt Berlin“ geschrieben, die man auf der Website finden kann: Eine nicht ganz ernst gemeinte Zusammenfassung der letzten 40.000 Jahre Berliner Historie.

Es gibt ja eine ganze Reihe von Hauptstadt-Initiativen. Warum hast du dich gerade für diese entschieden?

„Made in Berlin“ hat eine gute Mischung aus Unternehmern, Künstlern und unternehmerisch denkenden Kreativen. Das bringt uns übrigens wieder auf das Thema „Inspiration“. Bei „Made in Berlin“ sind Leute dabei, die ich beruflich und privat schätze. Und wir haben eine Menge gemeinsamer Werte.

Was sind für dich typische Berliner Werte?

Hm, das ist nicht ganz einfach, denn viele Werte sind ja zweischneidig, genau wie die Tugenden. Ich würde aber sagen: Improvisationsgabe, Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen, eine gewisse – wie soll ich sagen –, „Weltlichkeit“ und dieser ganz spezielle fatalistische Lokalpatriotismus, der übrigens eine ziemlich lange Tradition hat.

Fühlst du dich diesem „fatalistischen Lokalpatriotismus“ verpflichtet?

Ja, dagegen kann man nichts tun (lacht); das steckt an. Ich glaube, das spüren selbst die Touristen, die nur für ein paar Tage zu uns kommen. Das ist einfach ein einmaliger Mix, und deswegen macht es mir Spaß, mich in der Stadt zu engagieren.

 

Das Interview führte Aragon Schraga.