JOACHIM SPITZLEY

Vorstandsvorsitzender, bito ag

Berlin-Heinersdorf

Die bito AG ist ein klassisches Familienunternehmen, das sich als Farben­großhandel mit Herstellerkompetenz für Lacke, Böden und Putze ebenso einen Namen gemacht hat wie als Sponsor und Partner von sozialen und regionalen Initiativen und Charities.

Deine Arbeit und Berlin sind untrennbar miteinander verbunden. Trifft das auch für dein Privatleben zu?

Da ich mit vierzehn nach Berlin gekommen bin, kenne ich natürlich noch das Elend im Rest der Republik und weiß deswegen Berlin noch mehr zu schätzen. Ich bin Überzeugungs-Berliner. Geboren bin ich im Badischen, die meiste Zeit meiner Kindheit war ich aber in Kaiserslautern, und da habe ich noch eine Menge Anbindung.

Was bedeutet Berlin für dich?

Das Credo von Berlin ist die Idee, dass jeder nach seiner Façon selig werden darf. Jeder kann sein, wie er ist, und kriegt auch eine entsprechende Akzeptanz. Was ich bedauere, ist, dass sich langsam Ghettos entwickeln. Damals konnte der Sozialhilfeempfänger in der Kneipe neben dem Unternehmer stehen und sich beim Bier über Gott und die Welt unterhalten. Das hat für mich den Charakter von Berlin ausgemacht. Aber das ist heute schwieriger geworden. Und dann auch die Möglichkeit, kreativ zu agieren, ohne ausgegrenzt zu werden.

Made in Berlin im Gespräch mit Joachim Spitzley, bito ag

Würdest du das als „Berliner Mentalität“ bezeichnen?

Natürlich! Die Toleranz und Großzügigkeit, die übrigens manchmal bis hin zur Ignoranz gehen kann, ist für Berlin stilprägend. Berlin hat ja eine der kürzesten Historien, die aber gleichzeitig eine der intensivsten ist, wenn man alleine mal nur die letzten 150 Jahre nimmt. Wahnsinn! Der wichtigste Satz, den ich in dieser Hinsicht kennengelernt habe, lautet „Hier war mal ...“ (lacht).

„Hier war mal ...“?

Ja. Hier war mal 'ne Brücke, ein Haus, eine Straße ... was auch immer.

Was ist dein Lieblingsbezirk?

Oh ... Mitte, Charlottenburg, Wilmersdorf. Berlin lebt ja von seinen Bezirken. Das ist seine Eigenheit, denn Großberlin gibt es ja erst seit 1920, davor waren es eben Dörfer. Wilmersdorf war tatsächlich mal ein Dorf. Die Dorfkerne gibt es ja strukturell immer noch. Wir haben sehr viele Subzentren,und das prägt die Stadt. Und witzigerweise hat Berlin, was Umzüge angeht, deutschlandweit zwar die größte Volatilität, aber die Leute bleiben dennoch in ihrem Bezirk. Deswegen habe ich beispielsweise zwanzig Jahre in Wilmersdorf gelebt.

Lass uns über „Made in Berlin“ sprechen ... Drückt sich diese Vielfalt an Herkunft auch im Verein aus?

Im Kern sind es schon Menschen, die die Wandlung der Stadt mitgemacht haben, die den Westberliner Sozialismus überlebt und den Übergang zur modernen Marktwirtschaft geschafft haben. Großartige Leistungen! Diese Menschen wollen wir in den Mittelpunkt stellen.

Was hat dich dazu bewegt, „Made in Berlin“ zu gründen?

Die wichtigste Aufgabe ist für mich, darauf aufmerksam zu machen, dass es großartige Unternehmen in der Stadt gibt, und dazu beizutragen, dass Berlin reich und sexy wird, was natürlich nur über bessere Steuer­einnahmen geht. Insofern ist unser Anliegen,dass Berliner bei Berlinern kaufen, um die Steuern hier zu lassen. Das ist eine Antwort auf ganz konkrete Auswirkungen der Globalisierung, und das hat Folgen für den Heimatbegriff. Berlin ist nun mal unsere Heimat, und die müssen wir stärken.

Kannst du ein Beispiel dafür nennen?

Nach der Wende gab es einen immensen Bauboom, und da hätten eigentlich die Kassen überquellen müssen, taten sie aber nicht, weil die Berliner nicht wettbewerbsfähig waren. Viele Unternehmen sind gescheitert und insolvent gegangen. Westberlin war damals einfach nicht leistungsfähig, keinen Deut besser als die Wettbewerbsfähigkeit der Ostberliner Kollegen.

Welche Art von Mitgliedern passt zu uns?

Der engere Kreis der Mitglieder sind Persönlichkeiten aus Berlin, die in ihren Bereichen erfolgreich sind und einen Beitrag leisten wollen. Von daher wird unsere Kernmitgliederzahl nicht allzu groß werden. Bei den Unterstützern wird es in die Breite gehen, aber der elitäre Kern bleibt überschaubar.

Worin unterscheidet sich unser Verein von anderen Initiativen?

Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass es sich bei uns um Persönlichkeiten handelt, die einen tatkräftigen Beitrag leisten können, diese Stadt und unser Thema voranzubringen. Wir wollen kein Sammelverein sein, wie viele der anderen, sondern Menschen zusammenbringen, die den Standort stärken können. Die Mitglieder, die wir jetzt haben, sind verrückte, engagierte Menschen, die sehr kreativ sind und einen eigenen Kopf haben, die erfolgreiche Unternehmer und nicht Mainstream sind. Kritisch und kreativ, denn mit denen macht es am meisten Spaß zu arbeiten.

Wo soll der Verein in fünf Jahren sein?

In fünf Jahren steht die Basis eines harten Kerns von 20 bis 50 Mit­gliedern, die entsprechend engagiert das Thema voranbringen. Dazu kommen 100 bis 200 Unterstützer und ebenso viele Firmen, die das Siegel unseres Vereins erhalten.

Im Grunde genommen ist das ja eine sehr politische Sache, die wir da vorhaben, wobei wir aber überparteilich bleiben ...

Ja, wir sind natürlich total politisch und stellen uns gegen Tendenzen, wie zum Beispiel die Forderung nach höheren Staatsquoten von 70 Prozent. Da stellen sich uns die Nackenhaare auf. Aber wir sind auch sehr kritisch gegenüber den Banken. Auch da sehen wir als Verein eindeutige Fehler, die von der Politik gemacht wurden. Der Staat kann nun einmal nicht erfolgreicher wirtschaften als private Unternehmer und schon gar nicht als mittelständische Familienunternehmen.

Damit steht der Verein in der Tradition der Berliner Salons, die ja auch häufig obrigkeitskritisch waren.

Auf alle Fälle! Bürgerstolz, liberales Bürgertum: Das sind Grundwerte. Dazu gehören auch Selbstbewusstsein und Verantwortung. Das drückt sich auch in unserem sozialen Engagement aus, weil wir die Findung dieser Werte auch bei Jugendlichen unterstützen wollen. Nur mit diesen Werten hat die Jugend eine Chance, unabhängig vom Staat zu überleben.

Das Interview führte Albrecht Behmel.

>>  Zu einem weiteren Interview mit Joachim Spitzley im Magazin „berlin vis.à.vis“